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Fragen im
Petitionsausschuss

Diese Fragen wurden ausführlich beantwortet von Sahar Alias Baba Sheikh, Sahir Alias Baba Sheikh und Tobias Huch

Fragen & Antworten

Frage: Welchen Einfluss hatten und haben die Gräueltaten des IS auf die Yezidische Gemeinschaft bis heute? In Deutschland und Weltweit.

Antwort: Der Völkermord an den Yezidinnen und Yeziden hat sich tief und traumatisch in die yezidische Gesellschaft eingebrannt. Seit dem 03.08.2014 gewann das Yezidische Volk durch den Völkermord eine traurige „Bekanntheit“. Mittlerweile lebt die größte Diaspora der Yeziden mit etwa 200.000 Mitglieder in Deutschland.

Die Yeziden leiden immer noch an individuellem und kollektivem Trauma. Der Schmerz der verlorenen Mütter, Töchter, Väter, Söhne und andere Familienangehörige, Freunde, Kollegen oder Bekannte sitzt noch tief in den Seelen der Yezidischen Volkes. Ebenso wie der Verlust der Heimat, die Zerstörung wichtiger Kulturgüter und die Gräueltaten an yezidischen Frauen. Viele verwitwete Frauen leben immer noch in der Diaspora, also auch in Deutschland. Sie müssen auch die Rolle der Väter einnehmen. Sie bemühen sich tapfer in ihrer neuen Heimat anzukommen und sich zu integrieren. Doch diese Integration ist meist erschwert, da den betroffenen Menschen immer noch nicht das Recht der Menschlichkeit anerkannt bekommen. Eine Anerkennung des Völkermordes wird die Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Integration vorantreiben, sowie einen Teil dazu beitragen, das Trauma zu überwinden.

 

Frage: Geben Sie einen Einblick, wie sich das Leben der Yezidischen Gemeinde sich im Irak vor den Verbrechen des IS gestaltet hat, woran Sie die Diskriminierung sehen und wie sie sich heute auch fortsetzt.

Antwort: Die Yezidinnen und Yeziden im Irak, wie auch in Syrien, leben abgeschottet und in homogenen Dörfern. Diese Konstipation wurde unterwandern durch das Saddam-Regime forciert. Der Völkermord wurde 2014 anfangs durch direkte Nachbarn unterstützt. Arabisch-muslimische Nachbarn, von denen man dachte, dass es Freunde sind. Als der IS da war, verwandelten sich viele dieser Nachbarn in Verräter und unterstützten tatkräftig die Verbrechen des IS. Die Nachbarn mordeten, vergewaltigten und raubten. Dadurch wurde das Vertrauen an ihren Nachbarn dauerhaft beschädigt und die Traumatisierung erheblich verstärkt.

 

Frage: Welche Auswirkung hat die Anerkennung der Länder für die Menschen in Ihren Heimatländern (Nordirak) und weltweit?

Antwort: Das Yezidische Volk hat 74 Genozide erlebt. Die Gräueltaten an ihnen sitzen fest in ihrem kollektiven Gedächtnis. Eine Anerkennung, sowohl in ihren Herkunftsländern als auch weltweit setzt ein Zeichen der Menschlichkeit, ein Zeichen des Menschen- und Völkerrechts, die wir schützen müssen. Eine Anerkennung soll den Betroffenen eine Stimme geben und den inneren und äußeren Frieden sichern. Solche Grausamkeiten dürfen nie wieder in der Menschheitsgeschichte vorkommen, dafür müssen Zeichen gesetzt werden. Zeichen, die über die Landesgrenzen hinaus einem gepeinigten Volk eine Stimme geben, ihnen Mitgefühl aussprechen und somit einen wichtigen Beitrag leisten tiefe Wunden zu heilen.

Die Anerkennung im Irak und in der Autonomen Region Kurdistan war ein wichtiger Schritt in Richtung Versöhnung mit ihren Nachbarn. So ist auch die Anerkennung in Deutschland ein ebenso versöhnlicher Akt. Wir dürfen nicht vergessen, dass über 700 IS-Kämpfer direkt aus Deutschland kamen und in Deutschland radikalisiert wurden.

Frage: Welche Position sollte der deutsche Staat bei der Aufarbeitung des Völkermordes an den Yeziden einnehmen, auf die Verfolgung der Täter (deutscher Staatbürgerschaft) einnehmen?

Antwort: Der deutsche Staat hat die Pflicht die Verbrechen, die durch deutsche Staatsbürger oder durch in Deutschland ansässige Personen verübt wurden, mit aller Härte strafrechtlich zu verfolgen.

 

Frage: Welche Folgen hatten die Gräueltaten an die Yezidische Community in Deutschland, insbesondere im Hinblick auf die Dinge wie Versklavung, Zwangsprostitution, von Yezidinnen und Yeziden? Vielleicht können sie sagen, wie sich das Vollzogen hat in der deutschen Community.

Antwort: Dieser Völkermord hat die yezidische Gemeinschaft eng zusammengerückt, zugleich hat man sich mehr Engagement der hiesigen Regierung gewünscht, da fundamentalistische und salafistische Bestrebungen nur sehr widerwillig verfolgt wurden. Im Stich gelassen fühlt man sich auch auf diplomatischer Ebene, da noch tausende Yezidinnen und Yeziden in Versklavung und Zwangsprostitution leben müssen. Viele wurden teils in Staaten wie die Türkei, Katar, die Emirate oder andere Länder verkauft und erleiden bis heute das, was der IS ihnen im Irak und in Syrien angetan hat. Bis heute werden Yeziden auch darüber hinaus in Deutschland diskriminiert. Sie sind volksverhetzenden Diffamierungen wie „Teufelsanbeter“ ausgesetzt. Hier wäre eine stätige Aufklärungsarbeit in Deutschland von Nöten.

 

Frage: Es wurden im Jahr 2021 ca. 51 Millionen Euro an humanitäre Hilfe gegeben. Welche Hilfe wünschen Sie zusätzlich?

Antwort: 51 Millionen Euro können vielleicht für ein Jahr ein Flüchtlingscamp ausstatten, aber es hilft nicht den Yeziden wieder eine Heimat aufzubauen. Die Stadt Shingal ist zerstört, ihre Vororte sind zerstört. Hunderttausende Yeziden leben weiterhin unter unwürdigen Bedingungen in Flüchtlingscamps. Um diesen Zustand zu beheben, benötigen die betroffenen Menschen neben mehr finanzieller Hilfe auch diplomatische Unterstützung beim Wideraufbau, da Shingal bis heute politisch umkämpft ist. International brauchen die Yeziden Anerkennung. In Anbetracht dessen, sollte auch dem Heilige Rat der Yeziden in Lalish die Anerkennung als völkerrechtliches Subjekt zugesprochen werden, so wie es der Heilige Stuhl, das Komitee des Roten Kreuzes oder der souveräne Malteseroden ist. Eine solche Anerkennung bieten einen starken Schutz gegen Vergessen und neue Genozide.

 

Frage: Hinter Ihrer Petition sehen Sie da auch ein Appell an die Menschen in Deutschland und nicht nur an die Politik?

Antwort: Die Petition richtet sich an den Deutschen Bundestag, die politische Vertretung des Deutschen Volkes. Somit ist so eine Petition immer auch ein Appell an alle. Zudem wurde die Petition von den Menschen in Deutschland ins Leben gerufen und unterstützt.

 

Frage: Welche Konsequenzen sollte es geben damit der IS keinen neuen sicheren Hafen in der Region bekommt, um seine mörderischen Taten fortsetzen zu können?

Antwort: Natürlich muss man auf die Region aber auch Nachbarländer wie die Türkei einwirken, damit dort keine Keimzellen des IS entstehen können. Es steht mir jedoch an dieser Stelle nicht zu, im Sinne der Yezidinnen und Yeziden zu komplexen außenpolitischen Maßnahmen Stellung zu nehmen. Die Yeziden sind kein Spielball diverser Mächte, sondern ein Volk, dass Respekt und Anerkennung verdient.

 

Frage: Gibt es eine Yeziden Feindlichkeit in Deutschland, die hier lebenden Yeziden erleben und ertragen müssen, von bestimmten Verbänden oder Vereine?

Antwort: Yezidinnen und Yeziden werden immer wieder religiös beleidigt, verleumdet und bedroht. Insbesondere salafistische Verbände und Vereine handelt sehr Yeziden feindlich. Die Beschimpfung als „Teufelsanbeter“ gehört strafrechtlich verfolgt.

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